Bündnis gegen Armut in Schleswig-Holstein
Jeder sechste Mensch ist bedroht - Sozialverband, Awo und DGB Nord fordern klare Signale der Landesregierung
LÜBECK. Menschen mit kleinem Einkommen dürfen in der Energiekrise nicht im Stich
gelassen werden - diese Forderung stellt das „Bündnis gegen Armut“ in Schleswig-
Holstein. „Schon jetzt ist klar, dass die Kosten für Strom und Heizung massiv steigen wer-
den und die zu erwartenden Nachzahlungen das Leistungsvermögen vieler Haushalte übersteigen werden“, erklären die Initiatoren.
„Viele Menschen plagt die Frage, wie sie die nächsten Strom- und Gasrechnungen
bezahlen sollen, daher fordern wir von der Landesregierung, den im Koalitionsvertrag angekündigten Härtefallfonds schnell einzuführen. Insbesondere armutsbetroffene
Menschen müssen besser geschützt werden“, sagt der Awo-Präsidiumsvorsitzende Wolfgang Baasch aus Lübeck.
Etwa 16 Prozent der Bevölkerung in Schleswig-Holstein leben unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze. Bei Kindern liegt die Armutsquote bei 20 Prozent, bei über 65-Jährigen bei 13 Prozent. Alfred Bornhalm, der Landesvorsitzende des Sozialverbandes
(SoVD), erklärt: „Niemand soll im Winter im Dunkeln sitzen und frieren, weil er Angst
hat, sich die Energiekosten nicht mehr leisten zu können." Die Landesregierung müsse unbedingt verhindern, dass Menschen, die ihre Strom- und Gasrechnungen nicht mehr bezahlen können, von ihren Vermietern auf die Straße gesetzt werden können oder ihnen der Strom abgestellt wird. „In unseren Beratungsgesprächen stehen immer häufiger existenzielle Sorgen und Ängste der Mitglieder im Mittelpunkt. Der Cent muss nicht ein- oder zweimal umgedreht werden, jetzt wird er bei vielen sogar dreimal umgedreht”, sagt
Bornhalm. Die Regelsätze in der Grundsicherung seien im Januar um 0,7 Prozent angehoben worden. Tatsächlich seien die Lebenshaltungskosten aber exorbitant gestiegen. „Den Menschen bleibt nichts anderes übrig, als ihre Ausgabendisziplin noch weiter zu erhöhen. Für den Sozialstaat ein Armutszeugnis, für die Menschen ein Desaster!"
Die neue Landesregierung in Kiel habe zwar im Koalitionsvertrag ein stärkeres Engagement bei der Armutsbekämpfung durch die Einrichtung eines Härtefallfonds angekündigt, im 100-Tage-Programm finde sich dazu allerdings nichts. Es fehlten dort
jegliche Maßnahmen gegen die sich ausbreitende Energiearmut. „Das klare und
deutliche Signal aus der Politik muss jetzt sein: Wir suchen gemeinsam nach Lösungen
und lassen niemanden im Stich”, sagt Laura Pooth, die DGB-Bezirksvorsitzende. Dazu sei es notwendig, regelmäBig Gespräche mit allen relevanten Akteuren zu führen. „Andere Bundesländer sind hier schon deutlich weiter.” Außerdem müsse man „die Solidarität auch bei Wohlhabenderen wieder stärker einfordern". Gerade jetzt sei ein Ausgleich bitter notwendig und eine Zeitenwende in der Steuerpolitik angesagt.
cri
Beitrag der Lübecker Nachrichten vom 07. August 2022
https://www.ln-online.de/der-norden/neues-buendnis-gegen-armut-in-schleswig-holstein-72PVBNE25FJNT4A7EBXXQXJHQI.html (Bezahlschranke)