Die fünf Voraussetzungen für eine barrierefreie Fahrt mit dem Bus
Wenn Rollstuhlfahrer bereits heute eine Fahrt mit dem Bus unternehmen wollen, verläuft die Reise nicht immer reibungslos. Damit das gelingt, müssen zumindest fünf wesentliche Voraussetzungen erfüllt sein.
1. Einsatz von Niederflurfahrzeugen
In Metropolen und vielen anderen Städten in der Regel kein Problem: Hier fahren fast ausschließlich Fahrzeuge mit geringer Einstiegshöhe. Der Zustieg ist meist mithilfe einer klappbaren Rampe möglich.
Wie der Zustieg von Menschen mit einer Gehbehinderung in der Praxis klappt, hängt allerdings stark vom Busfahrer ab. Im Idealfall übernimmt der Fahrer persönlich das Umklappen der Rampe und hilft dem Rollstuhlfahrer anschließend beim Einstieg. Allerdings geht das in vielen Fällen nicht auf. Aufgrund von Zeitnot überlassen die Fahrer diesen Job anderen Fahrgästen. Jetzt hängt die Weiterreise von der Hilfsbereitschaft der übrigen Passagiere ab.
So weit, so gut. So funktioniert es jedoch nur mit dem Niederflurbus. In ländlicheren Regionen Deutschlands – und da sprechen wir hier in Schleswig-Holstein aus Erfahrung – ist der Einsatz von Niederflurbussen alles andere als gesichert. Oftmals werden Reisebusse von anno dazumal eingesetzt, die ausschließlich über eine steile Treppe betreten werden können.
Bis 2022 bleibt an dieser Stelle also noch viel zu tun.
2. Die richtige Bordsteinhöhe
Nehmen wir an, wir befinden uns in der Großstadt. Es fahren tatsächlich nur Niederflurbusse auf den Straßen. Der Bus kommt mit vier Minuten Verspätung an der Haltestelle an – die Türen öffnen sich…
Wenn jetzt die Rampe ausgeklappt wird, kann der Rollstuhlfahrer ohne Hilfe in den Bus fahren. Wenn der Bordstein die richtige Höhe hat.
In Schleswig-Holstein üblich sind Bordsteinhöhen von 14 bis 18 Zentimetern. Bei dieser Höhe ist die Fahrt über die Rampe jedoch so steil, dass es in der Regel doch nicht ohne fremde Hilfe geht. Deswegen fordern Experten schon seit langer Zeit eine standardmäßige Bordsteinhöhe von 22, besser 24 Zentimetern.
In der Praxis wird allerdings fleißig weiter auf die niedrigere Version gesetzt. Warum? Vertreter von Busunternehmen verweisen auf die Gefahr, dass bei höheren Bordsteinen der vordere rechte Kotflügel des Busses beschädigt wird. Okay… In Städten wie Kassel und Erfurt setzt man übrigens schon länger auf das „Hochbord“ – anscheinend ohne, dass die Reparaturkosten der dort tätigen Verkehrsbetriebe signifikant angestiegen sind.
An diesem Beispiel ist klar zu erkennen, dass das Ziel, bis zum 01.01.2022 einen barrierefreien ÖPNV vorzuhalten, zumindest anspruchsvoll ist. Allein in Schleswig-Holstein warten etwa 7500 Haltestellen auf höhere Bordsteine.
3. Verlässliches Informationssystem
In fast allen größeren Städten gibt es Anzeigetafeln, auf denen die nachfolgenden Bus- und Bahnlinien mit der verbleibenden Wartezeit abgelesen werden können. Auf dem Land ist dieser Luxus in der Regel nicht anzutreffen.
Aber gerade jetzt, da dort viele Fahrzeuge unterwegs sind, die für Rollstuhlfahrer nicht geeignet sind, müsste es ein verlässliches Informationssystem für die Fahrgäste geben. Insbesondere ein Mensch mit Gehbehinderung muss wissen, wann er mit welchem Fahrzeugtyp rechnen kann. Eine selbstständige Reise ist ohne dieses Wissen ausgeschlossen.
Wir brauchen für einen barrierefreien ÖPNV verlässliche Informationen, die für alle Fahrgäste zugänglich sind.
4. Freie Fahrt für E-Scooter
Seit einigen Jahren können sich Nutzer von E-Scootern nicht mehr problemlos im ÖPNV bewegen. Hintergrund sind Sicherheitsbedenken der Verkehrsbetriebe. Mittlerweile gibt es zwar eine Regelung, nach der E-Scooter befördert werden müssen, wenn diese eine Sicherheitsbescheinigung des Herstellers aufweisen. In der Praxis tun sich die Hersteller jedoch schwer, diese Bescheinigung auszustellen. Die Folge: Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen auf den E-Scooter angewiesen sind, werden immer wieder vom Busfahrer abgewiesen.
Jetzt sind die Hersteller von E-Scootern am Zug: Sie müssen Fahrzeuge auf den Markt bringen, die bedenkenlos im ÖPNV mitgeführt werden können. Krankenkassen sollten nur noch diese Hilfsmittel verschreiben dürfen.
5. Die Rolle des Fahrers
Die Busfahrerinnen und Busfahrer leisten jeden Tag eine anstrengende und anspruchsvolle Arbeit. Dazu kommen nörgelnde Passagiere, straffe Zeitpläne und dadurch bedingt kurze oder überhaupt keine Pausen.
Auch bei Fahrgästen mit Behinderung kommt ihnen eine Schlüsselrolle zu. Viele Konflikte würden entfallen, wenn auf Seite der Fahrer mehr Wissen um verschiedene Arten von Behinderungen vorhanden wäre. Hier sind die Verkehrsunternehmen in der Pflicht. Organisationen von Menschen mit Behinderung sollten ihren Teil dazu beitragen, für mehr Verständnis auf beiden Seiten zu sorgen.
Auf dem Weg zur Inklusion
Wir alle wissen, dass es nicht leicht ist, eine inklusive Gesellschaft aufzubauen. Alle Menschen sind hier gefordert. Und in vielen Fällen sehen wir bereits gute Beispiele, zum Beispiel im Einzelhandel oder in der öffentlichen Verwaltung. Wenn Sie sich selbst ehrenamtlich für Inklusion einbringen möchten, sind Sie beim Sozialverband Schleswig-Holstein genau richtig. Wir freuen uns auf Sie!
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